F.A.Q.
Frequently Asked Question
Die an unsere Redaktion häufigst gerichteten Fragen werden mit jenen aus dem Chat und den sozialen Kanälen ergänzt und kontinuierlich hinzugefügt.
Die häufigsten Fragen
Durch einen Klick auf die Fragen gelangt man zu den Antworten
Ist Hochsensibilität (HSP) eine Krankheit oder ein Symptom?
Weder noch. HSP (High Sensitive Personality) ist zwar ein genetisch bedingtes Persönlichkeitsmerkmal, jedoch keine psychologische oder medizinische Diagnose eines Krankheitsbildes.
Warum fühle ich alles so intensiv - und andere nicht?
Als hochsensible Persönlichkeit verfügst du je nach Ausprägung über weniger Reizfilter im Prozess der sensorischen Wahrnehmung und verarbeitest Reizstimuli und Eindrücke dadurch tiefgründiger und auch emotional intensiver.
Diese gesteigerte Empfindsamkeit lässt dich Gefühle stärker und länger wahrnehmen. Das ist weder eine Schwäche, noch eine besondere Stärke, sondern einfach ein Teil der selben Medaille der Hochsensibilität.
Ist hochsensibel zu sein positiv oder negativ?
Diese Frage interpretieren Hochsensible individuell unterschiedlich, abhängig von ihrem Vermögen, mit den Auswirkungen und besonderen Fähigkeiten, die das Phänomen Hochsensibilität mit sich bringt, umzugehen. Besonders viele Details und Nuancen in der Umgebung wahrnehmen zu können ist erstmal kein Nachteil, sondern bietet klare Vorteile.
Da je nach Ausprägung aufgrund reduzierter oder fehlender Reizfilter keine Priorisierung, Einstufung oder Herabstufung relevanter Reizimpulse stattfindet, nehmen HSP alle sensorischen Wahrnehmungen, die auf sie einwirken ungefiltert wahr. So kann es situativ zu Überlastungserscheinungen und Erschöpfungszuständen kommen, da die gesteigerte Leistung bei der Reizverarbeitung dem Gehirn (auch durch erhöhten Glucosebedarf) mehr Energie abverlangt.
Manche HSP zeigen ein erhöhtes Bedürfnis nach Rückzug und benötigen längere und intensivere Erholungsphasen nach reizintensiven Erlebnissen. Anderen haben bewußt oder unbewußt irgendwann Verhaltensmethoden zur Selbstregulation entwickelt, die sie vor mentaler und emotionaler Überlastung bewahren. Nicht wenigen gelingt es, die positiven Aspekte einer gesteigerten Reizwahrnehmung vorteilhaft für sich zu nutzen.
Ob Hochsensibilität nun positiv oder negativ zu bewerten ist, wäre also davon abhängig, wie der Betroffene mit seiner persönlichen Reizdisposition und der sensorischen Wahrnehmung umgehen kann.
Wer durch Akzeptanz und Anerkennung der Verantwortung, die man als HSP für sich selbst trägt Selbstfürsorge praktiziert, kann sich auf die positiven Aspekte der Hochsensibilität konzentrieren, z.B. Empathie, Kreativität oder Analysefähigkeiten,
Doch ohne Reflexion, Methoden zur Selbstregulierung und Maßnahmen der Selbstfürsorge kann Hochsensibilität den Alltag belasten, die Persönlichkeitsentwicklung einschränken oder das Allgemeinbefinden beeinflussen.
Was ist der Unterschied zwischen Vulnerable und Vantage Sensitive?
Vulnerable Sensitive geraten schneller ins Grübeln, zeigen oft eine tiefere emotionale Betroffenheit, die dann z.B. durch Scham, Selbstkritik oder zu tiefes Mitgefühl zu mentalen Blockaden, sozialem Rückzug oder Vermeidungsstrategien führen kann. Dieses Verhalten verstärkt oft die eigene Unsicherheit und reduziert persönliche Handlungsspielräume.
Vantage Sensitive fokussieren sich auf ihre Reizwahrnehmung, üben Selbstfürsorge und Achtsamkeit und konzentrieren sich auf die positiven Aspekte der sensitiven Wahrnehmung ohne die Herausforderungen unbeachtet zu lassen. Sie achten auf Situationen, in denen ihre Sensibilität hilfreich war und nutzen ihre Sensibilität für Wachstum und tiefe Verbindungen.
Viele Hochsensible wechseln zwischen den beiden Zuständen.
Was ist Sensory Processing Sensitivity (SPS)?
Eine ausführliche wissenschaftliche Definition findest du hier. Kurz zusammengefasst: SPS beschreibt ein Spektrum der Hochsensibilität bei der Menschen mehr wahrnehmen - Geräusche, Stimmungen, Zwischentöne, weil die natürlichen Reizfilter im Gehirn eingeschränkt sind oder schlicht fehlen. Übersetzen könnte man es mit einer gesteigerten Reizempfänglichkeit bei gleichzeitiger emotionaler Empfindsamkeit und kognitiv tiefgründiger Reizverarbeitung.
Kann man sich von vulnerabel zu vantage entwickeln?
Eine Disposition für Hochsensibilität ist laut Stand aktueller Wissenschaft in den Genen festgelegt. Doch durch die Befassung mit der eigenen Reizwahrnehmung, Selbstreflexion und der Entwicklung einer achtsamen Selbstfürsorge kann man mit etwas Übung und Erfahrung den Umgang mit der eigenen Hochsensibilität grundlegend verändern.
HSP ist ein kontinuierlicher Lernprozess, kein Fixstatus. Man kann Vulnerabilität abmildern und Vantage-Merkmale trainieren um diese als Ressourcenpotential nutzbar zu machen. Aber auch vulnerable Anteile erfüllen durchaus einen Sinn, indem sie z.B. der Selbstregulierung dienen.
Wer sich den Einfluss und die Wirkung von Reizen im Lebensalltag bewusst macht, kann lernen Sensitivität als Stärke zu nutzen, die Skala der persönlichen Reiztoleranz zu erweitern und langfristige Resilienz zu entwickeln. Unsere genetische HSP-Veranlagung lässt sich zwar nicht umkodieren, wohl aber unsere Angewohnheiten, Glaubenssätze und Verhaltensmuster im alltäglichen Umgang damit.
Wer Sensitivität mit Sinnhaftigkeit verknüpft, fördert die Vantage-Aspekte. Durch eine dosierte Annäherung an Reize und die Entwicklung der Fähigkeit zur Selbstregulierung kann in kleinen Schritten Vertrauen in die eigene Selbstwirksamkeit aufgebaut werden.
Der Entwicklungspfad von einer Vulnerablen zu einer Vantage-Sensitivität ist Sinn und Zweck dieser Plattform und unsere erklärte Mission. Hierzu kannst du mehr in unserem Projekt-Statement erfahren.
Wie unterscheide ich dienliches von hinderlichem Verhalten als HSP?
Leider gibt es noch keinen finalen Katalog aller dienlichen oder hinderlicher Verhaltensattribute, doch gemeinsam mit der Community entsteht langfristig eine Art Kartografie der HSP-typischen Bedürfnisse, Emotionen, Herausforderungen und Verhaltensweisen. Die Zwischenergebnisse präsentieren wir von Zeit zu Zeit im Blog.
Bis dahin gilt:
Frag dich: Führt mich mein Verhalten oder meine Reaktion auf äußere Einwirkungen näher an meine tatsächlichen Bedürfnisse und war meine Verhaltensstrategie der Situation wirklich angemessen?
Oder beschütze ich mich durch Vermeidung, Abwehr oder Verweigerung vielleicht nur vor den unangenehmen Folgen, wenn ich meinen sensitiven Sensoren zu viel zumute?
Ein Bespiel: Ein Rockkonzert kann eine Menge Freude bereiten. doch als Hochsensibler trägst du auch die Verantwortung für den Schutz deiner besonders feinen Antennen.
Vermeidung würde bedeuten gar nicht erst teilzunehmen. Das schützt zwar vor Lärm und Trubel, aber wenn dein tatsächliches Bedürfnis Freude war, wirst du später emotional berührt oder enttäuscht sein, diese Gelegenheit verpasst zu haben.
Besser wäre es, dir mit der nötigen Achtsamkeit, vernünftiger Vorbereitung und guter Selbstfürsorge ein tolles und "freudiges" Erlebnis zu schaffen.
Indem man frühzeitig dienliche Vorkehrungen trifft, wie z.B. Hörschutz einpacken und ausreichende Pausen, Versorgungswege und Rückzugsmöglichkeiten zur Entspannung einplant könnte man der Reizflut entgehen, sofern es notwendig wird um zwischendurch fernab der Reizquellen zu erholen, Akkus aufzutanken und den Reizstau zu entzerren.
Eine bewußte und aktive Sinneswahrnehmung, deine innere Stimme (Intuition), sowie dein Körpergefühl geben dir eindeutige und verlässliche Signale, wenn etwas zu laut, zu hektisch oder zu viel ist. Dafür Gehör zu entwickeln ist die eigentliche Aufgabe.
Dienlich ist alles was dir gut tut, kurzfristig beruhigt und dabei langfristig befähigt.
Sei es Aktivität oder auch Passivität. Rückzug schützt dich war ad hoc vor Überforderung, wirkt aber gleichzeitig selbstentmachtend und hindert dich daran deine eigene Persönlichkeit voll zu entfalten. Rückzug ohne Rückkehr ist soziale Isolation und kann eine intuitive Schutzmaßnahme sein um Reizimpulse nicht nur zu reduzieren sondern bei zu erwartender Überforderung gänzlich zu vermeiden.
Reflexion, insbesondere Selbstreflexion, Selbsbmitgefühl und Selbstfürsorge helfen dir, ein gesundes Maß für Rückzug und Entspannung zu entwicklen.
Hinderlich ist also alles was mit Verdrängung, Vermeidung und Überforderung einhergeht, dem Anlass oder der Situation unangemessen ist und nur kurzfristig beruhigt, aber langfristig schwächt.
Oft gehört es gerade in der frühen Phase der HSP-Selbsterkenntnis für viele Neuorientierte leider dazu, sich vor sämtlichen Reizeinflüssen schützen zu wollen und ihren Fokus primär auf Vermeidungsstrategien zu lenken. Je länger man sich aber mit der eigenen Wahrnehmung, Bedürfnissen, Emotionen und Kompetenzen beschäftigt, desto mehr normalisiert sich dieses Verhalten und wechselt wieder von Vermeidung zu aktiver Teilnahme.
Die persönliche HSP-Erkenntnis ist wie ein Reifeprozess von verletzlicher Betroffenheit zur Erlangung der Selbstwirksamkeit.
Wieso verhalten sich viele Hochsensible immer so defensiv?
Während Normalsensible (General Sensitivity) Gefühle und Spannungen in der Regel direkt nach außen (extrinsisch) ableiten und so ihre Reizverarbeitung regulieren neigen HSP eher dazu Emotionen nach innen (intrinisch) zu lenken und benötigen meist mehr Zeit um diese zu verarbeiten. Beide Wege haben im Alltag Vor- und Nachteile.
Ein Hauptmerkmal von HSP ist die gesteigerte Reizoffenheit, die aufgrund fehlender Reizfiltersysteme in der Folge zu Stress, Überwältigung und Rückzug führen kann. Diese defensiven Verhaltensweisen der Hochsensibilität, wie "zögern" und "vermeiden" sind keine Schwäche, sondern dienen als Schutzfunktion vor Überforderung. Das Nervensystem reagiert im evolutionären Sinne korrekt auf Überreizung.
Dieselbe Reizoffenheit kann aber auch zum Vorteil werden, denn sie hat das Potential eine verbesserte Lernfähigkeit, Empathie, Kreativität oder Resilienz zu ermöglichen.
Die Unterschiede im Verhalten liegen nicht in der genetischen Veranlagung sondern in der Art wie man mit Hochsensibilität umgehen lernt, wie man den Kontext gestaltet und wie man sich selbst reguliert.
Welche Methoden helfen bei akuter Reizüberflutung?
Reizüberflutung ist das Ergebnis einer zu hohen sensorischen Reizdichte, die auf das Nervensystem einwirkt und sich zur weiteren Verarbeitung anstaut.
Für HSP in der Neurorientierungsphase oder für diejenigen, die gerade erst Kenntnis von ihrer HSP-Disposition nehmen klingen manche Akutmaßnahmen zunächst vielleicht nur wie schwacher Trost, aber wirken sofort:
1. Reize reduzieren
(z.B. ganz simpel durch Augen schließen, einen ruhigen Rückzugsort aufsuchen, Lärmschutz, Kopfhörer, etc.)
2. Atmung regulieren
(z.B. 4-7-8-Atmung, Box-Breathing, ggfs. in Kombination mit Summen zur Vargus-Nerv-Stimulation)
3. Selbstfürsorge
(durch einfache Übungen zur Umgebungs- und Körperwahrnehmung, z.B. Body-Scan, Muskelentspannungsübungen, etc.)
Bewährt hat sich besonders eine Methode um in Situationen der akuten Reizüberlastung einen Bezug zu sich selbst und der Selbstwahrnehmung herzustellen:
Die 5-4-3-2-1-Orientierung (5 Dinge sehen, 4 fühlen, 3 hören, 2 riechen, 1 schmecken)
Es gibt viele weitere Methoden, den "Verarbeitungs-Stau" erträglicher machen und die Empfindung zu beruhigen. Doch diese Strategien wirken nicht alle gleich - manche wirken sofort, andere eher später aber dafür langfristiger.
Erfahrene Hochsensible werden den direkten Nutzen bestätigen und bauen solche Methoden häufig als feste Routinen in den Alltag als eine Art mentalen Kurzurlaub ein. Als präventive feste Strukturen reduzieren Routinen das Risiko von Überstimulation so auch langfristig.